Professioneller Textsatz mit Freier Software
Wer sich beim Verfassen von Schriftlichem noch nie mit den Problemen von Textverarbeitungsprogrammen (z. B. Microsoft Word, Sun StarOffice) herumschlagen musste, ist ein beneidenswerter Mensch. Wer sogar die Bedienung eines solchen Programmes soweit beherrscht, dass er/sie ganze Bücher damit schreiben kann, verdient meine ganze Hochachtung. Wenn man das Programm beherrscht, kein Problem.
Sind dem gelegentlichen und an intuitiver Benutzung gelegenen Schreiberling jedoch verrutschende Absatzmarken und Seitenzahlen wohl bekannt, ist die Frage nach den Autoren stützenden Alternativen nicht weit.
Was ist LaTeX?
LaTeX (sprich "Lah-Tech") ist ein rechnerunabhängig
konzipiertes Textsatzsystem und hat seine Ursprünge im
Programm TeX, das von Donald Knuth 1977 geschaffen wurde. Um
die komplizierten Befehle von TeX zu vereinfachen, schuf
Leslie Lamport Anfang der 80er-Jahre die LaTeX-Makros, mit
welchen es um ein Vielfaches leichter wurde, die Formatierung
von Dokumenten vorzunehmen. Der derzeit gültige Standard
heisst seit 1994 LaTeX2e.
LaTeX ist ein
Textsatzprogramm, das heisst, der Autor kennzeichnet seine
Gedanken direkt im Text und gibt dem Computerprogramm somit
Anweisungen an die Hand, wie der Text zu setzen
sei.
LaTeX unterscheidet sich insofern von modernen
Textverarbeitungsprogrammen, als es vom Autor zwingend die
aktive Strukturierung des Dokuments fordert. Wärend ich
in einem Textverarbeitungsprogramm mit WYSIWYG-Oberfläche
nach Belieben und beinahe grenzenlos formatieren kann, geht
LaTeX einen anderen Weg: der Autor soll nicht mit dem
ständigen Layouten seines Textes abgelenkt werden,
sondern sich vielmehr um die innere und inhaltliche Struktur
kümmern, indem er seine Gedankengänge direkt mit
einer Markup-Struktur versieht. Insofern ist es verwandt mit
Markup-Sprachen wie SGML oder XML (obwohl es im engen Sinne
natürlich keine reine Markup-Sprache ist): der Text
erhät Strukturierungsbezeichner, das Aussehen wird durch
externe Stylesheets und Anweisungen geregelt.
Warum überhaupt LaTeX?
Durch die zwingende
Strukturierung des Textes wird eine deutlich höhere
inhaltliche Konsistenz erreicht -- zwar bieten
Textverarbeitungsprogramme wie MS Word mit den sog. Stilvorlagen
mittlerweile einen sinnvollen Ansatz zur Strukturierung, bei der
Formatierung v.a. von langen Dokumenten aber liegt LaTeX klar im
Vorteil. Neben typographisch einwandfreien Layoutvorlagen hat
LaTeX selbst bei Dokumenten mit Hunderten von Seiten keine
Verwaltungsprobleme, kennt sogenannte Fließumgebungen (die
z.B. eine Grafik automatisch an den besten Platz schieben),
besitzt ein hervorragendes stabiles internes Referenzsystem und
sonstige professionelle Textsatzeigenschaften. LaTeX ist immer
noch erste Wahl im naturwissenschaftlichen Bereich
(u.a. aufgrund seiner Eigenschaften für den Formelsatz),
die meisten Fachverlage bieten Style-Vorlagen für die
Autoren an, und zahlreiche Bücher werden mit LaTeX
gesetzt.
LaTeX-Vorlagen lassen sich ohne weiteres als
Druckvorlage nach PostScript oder in hochwertige PDF-Dateien
konvertieren, natürlich auch nach HTML/XML. Bei
entsprechenden Kenntnissen können XML-Dokumente für
eine Druckvorlage mit LaTeX formatiert werden.
s.a. den Artikel von A. Cottrell: Word Processors: Stupid and Inefficient
Was muss ich lernen, um LaTeX benutzen zu können?
Nicht allzu viel. Zumindest reichen ein paar Grundkenntnisse
aus, um sofort loslegen zu können. Allerdings ist ein wenig
Umdenken notwendig: die Formatierungsbefehle werden direkt in
den Text geschrieben. Für alle WYSIWYG-Fetischisten gibt es
einen Editor namens LyX, mit
dem eine Quasi-WYSIWYG-Oberfläche das Arbeiten mit LaTeX
erleichtert.
Der zu setzende Text kann in jedem beliebigen
Editor geschrieben werden und wird dann als Textdatei dem
LaTeX-Programm übergeben. Editoren wie der GNU Emacs erleichtern die Arbeit
erheblich durch die Bereitstellung von Syntax-Highlighting,
Shortcuts und kompletten Entwicklungsumgebungen.
Einführungen zu LaTeX finden sich zum Beispiel in unserer Linkliste.
Um erfolgreich mit LaTeX umgehen zu können, ist eine gewisse
Einarbeitungszeit notwendig. Diese kann einem niemand
abnehmen, ein Vorteil ist aber auch, dass man mit blindem
Gestochere wie bei Textverarbeitungssystemen möglich nicht
weit kommt. LaTeX ist unerbittlich in seinen
Fehlermeldungen. Das sollte aber nicht abschrecken, sondern im
Gegenteil zu ordentlicher, fehlerfreier Textauszeichnung
motivieren!
Darüber hinaus ist es natürlich zu
empfehlen, nicht etwa erst am ersten Bearbeitungstag einer
Diplomarbeit anzufangen, sein erstes LaTeX-Dokument zu
schreiben. Voraussetzung sollte sein: ein funktionierendes,
erprobtes System benutzen zu können, die relevante
Dokumentation griffbereit zu halten, zu wissen, wer einem bei
Problemen helfen könnte. Nicht zuletzt aus diesem Grund haben
wir eine Mailingliste ins Leben gerufen, da an unserem
Fachbereich kaum jemand Erfahrung im Textsatz mit LaTeX
vorweisen kann. Ein (wenn auch noch so kleines) Netzwerk an
fachkundigen Personen steigert die Motivation und erleichtert
den Schreibprozess.
Was sollte ich noch wissen?
Die Software sollte einwandfrei funktionieren und möglichst auf einem aktuellen Stand sein. Zwar hat LaTeX etliche Jahre auf dem Buckel, doch die Abhängigkeiten zwischen neuen, interessanten Paketen sind am besten in einer aktuellen Version gelöst. So arbeitet etwa pdfTeX mit dem hyperref-Paket hervorragend zusammen. Das A und O für eine zufriedenstellende Arbeit ist die Wahl des richtigen Texteditors. Zwar ist es auch möglich, einen simplen Editor ohne tiefer gehende Funktionen als copy & paste zu nutzen, richtig Spaß macht aber erst ein großer Funktionsumfang.
Ein Wort vielleicht zur Warnung: wer es partout nicht lassen kann, ständig am Layout feilen zu müssen, der sollte lieber bei anderen Programmen bleiben. LaTeX unterstützt den Autor beim Schreiben und nicht unbedingt beim Layouten. Es gibt hervorragende Stilvorlagen und nach professionellen typographischen Erfahrungswerten gestaltete Ergänzungen, die frei verfügbar sind, und eine umfassende Änderung des Layouts ist ohne tiefer gehende Kenntnis der Makroprogrammierung nicht ohne weiteres möglich (aber meist auch gar nicht nötig). Andererseits: möglich ist natürlich alles :-)
Wer hilft mir bei Problemen?
Kontakt zur LaTeX-Gemeinde erhält man am schnellsten
über das Internet.
Es existieren eine Menge erfahrener Anwender da draussen in
den Weiten des Netzes, die kompetente Antwort auf Probleme geben
können, werktags manchmal schon innerhalb von Minuten.
Es gibt verschiedene Usergroups, in
Deutschland ist es DANTE,
die Deutsche Anwendervereinigung
TeX, die Anwendertreffen organisiert und sonstige
Hilfen anbietet: dies alles aber auch für
Nichtmitglieder. Hilfreich ist auch die Dante-TeX-FAQ.
Falls man über die mitgelieferte Doku und FAQs nicht
weiterkommt, dann wird einem in den zahlreichen Mailinglisten
meist schnell weitergeholfen. Die aktivste deutsche Liste
ist TeX-D-L. Sie wird auch von dem ein oder anderen
Paketbetreuer verfolgt (mailto:listserv@listserv.dfn.de,
body
subscribe TEX-D-L Vorname Nachname) Bei Fragen zur
PDF-Erzeugung ist pdftex-list
zu empfehlen. Newsgroup-Benutzer werden bei de.comp.text.tex fündig, das
Archiv übersichtlich im
Google-Groups-Archiv
Wo kriege ich LaTeX her?
LaTeX
gibt es in verschiedenen Distributionen, die sich je nach
Betriebssystem unterscheiden können. Einige der wichtigsten
sind tetex (Unix/Linux) und TeXLive (Win). Das Programm ist frei
verfügbar und unterliegt der TeX-License sowie der GPL.
Im Internet findet man die jeweils aktuelle Version im CTAN
(Comprehensive TEX Archive Network) und den jeweiligen Mirrors, in
Deutschland eine Liste z.B. unter http://www.dante.de/software/ctan/
LaTeX ist in ziemlich jeder Linux-Distribution
enthalten. Windows- und Mac-Benutzern ohne Standleitung zum
Internet stehen Abzüge des Archivs auf CD zur Verfügung,
z.B. bei gutsortierten Buchhändlern oder in
Hochschulrechenzentren.
Siehe auch DANTE-FAQ: 4.1
Wie bekomme ich ein TeX-System?
Wer entwickelt LaTeX?
TeX/LaTeX ist ein ziemlich ausgereiftes Programm, weshalb es seit
der letzten Version (LaTeX2e) kaum nennenswerte Änderungen
gegeben hat. Im Gegensatz zu Microsoft Word etwa, welches
ständig ein neues Gewand übergestülpt bekommt
(die Fade-Effekte im Menu beeindrucken mich auch: wow! Nur helfen die
mir leider nicht beim Strukturieren eines Textes...),
kann LaTeX ohne Probleme auch auf alter Hardware benutzt
werden, um professionell gesetzte Texte zu erhalten. Einmal
jährlich erscheint eine komplett aktualisierte Gesamtversion
An der Nachfolgeversion (LaTeX 3) arbeitet ein mehrköpfiges
Entwicklerteam, das
Vorschläge aus der Anwendergemeinde sammelt und umsetzen will.
Wen verklage ich, wenn die Software meine Diplomarbeit auffrisst?
Niemanden. Die im Gegensatz zu proprietären Programmen wie Microsoft Word eher geringe Verbreitung von TeX/LaTeX führt zwar logischerweise dazu, dass man sich selbst um die Sache kümmern muss. Wer sich jedoch ein bisschen Zeit nimmt, hat LaTeX schnell drauf. Support gibt es durch eine aktive Nutzergemeinde über das Internet.